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Sonntag, 17. April 2016

Die Schlacht ums Frühstücksbuffet

Nein. Bei dieser Schlacht am Frühstücksbuffet - da mach ich nicht mit.

Hotel: kann überall sein! Ich kann es kaum glauben: Draussen vor dem Hotel warten die schönsten Tempel der Welt, es gibt exotische Köstlichkeiten zu probieren und fremde Menschen grüssen freundlich, wenn wir ihre Stadt bewundern.

Doch vor den Entdeckungen des Tages muss Mann und Frau jeden Morgen erst die Hürde des Frühstücksbuffets überwinden.

Miteinander murmelnd und sich unterhaltend eilen die ersten Gäste bereits früh am Morgen die Treppe hinunter, umweht von einem leichten Duft nach Rheumasalbe und Moskitospray, hasten über den Flur in Richtung Speisesaal, suchen sich flink ein strategisch geeignetes Plätzchen. Kaum öffnen sich die Türen zum Büffet, werden die Ellenbogen in Position gebracht, damit die Frisur im Sturm auf die frischen Brötchen, auf Besteck und Teller keinen Schaden nimmt.

Auf den grossen Tischen, die in einer langen Tafel das Büffet bilden, dampfen Behälter aus Edelstahl, die ein wenig wie silberne Särge aussehen. In ihnen schwimmen Schinkenscheiben in Wassersosse, krustig-harte Speckscheiben und nachgiebig-weiche Spiegeleier.

Die Gäste reissen die Teller von ihren Stapeln und stapeln die Genüsse darauf, als gäbe es nur diese eine Mahlzeit, den Hals lang gereckt, schleicht so mancher rund ums Büffet, späht mit Adleraugen aus, damit ihm nichts von den Leckereien entgehen möge, bevor er sich wie ein Aal windet und zwischen den anderen hindurch zu den Köstlichkeiten greift.

Bald ist die große Karaffe mit frischem Orangensaft geleert - und der nächste Gast mahnt den Kellner, er möge doch schnell für Nachschub sorgen.

Nein. Bei dieser Schlacht am Frühstücksbuffet - da mach ich nicht mit.

Hier kämpfen Wilde und Barbaren: Während der korpulente General seinen Teller bereits zum dritten Mal füllt, steht der schüchterne Schmalhans immer noch und wartet, dass er endlich, endlich in den Korb mit Brötchen langen kann.

Jeden Morgen entsteht das gleiche Chaos: Statt gemeinsam langsam das Büffet zu umrunden, sich hie und da ein wenig auf den Teller zu picken, gibt es Menschen, die grundsätzlich gegen den Strom schwimmen und sich vor die anderen drängeln müssen. Dazwischen die Fotoenthusiasten, die jeden Teller einzeln festhalten wollen und niemanden, weder die anderen Gäste noch das Personal, an das Büffet lassen wollen. Einer sucht die Milch, ein anderer findet die Kaffeelöffel nicht.

Jeden Morgen klirrt und scheppert es, fallen Teller und Kaffeetassen auf den Boden, weil keiner auf den anderen achtet. Hier zeigt sich die Natur des wahren Kämpfers, wenn sich beide mit lauten Worten und zornigen Blicken gegenseitig der Unachtsamkeit beschuldigen. Ein Kellner versucht verzweifelt zu schlichten, nimmt die Schuld auf sich und ergreift schnell die Flucht, als sich die beiden Wutbolzen auf ihn stürzen wollen.

Die Gäste am Nachbartisch lachen, freuen sich über das Ungeschick der anderen und schieben sich eine gut gefüllte Gabel nach der anderen in den unersättlich scheinenden Mund.

Nein. Bei dieser Schlacht am Frühstücksbuffet - da mach ich nicht mit.

Überall im Saal schmatzt und rülpst es. Aus dem Toaster quillt Rauch, weil er in sechs Schlitzen zwölf Scheiben Toast rösten soll - und sich die Urlauber streiten, wer welche Scheibe Toast in den Schlitz schob, den Regler verstellte und gleich die Marmelade auf dem Brot mittoasten wollte.

Ein schwergewichtiger Mann betritt den Frühstücksraum, stellt sich selbstverständlich vor die anderen Wartenden, dorthin, wo es das frische Rührei mit Schinken gibt. Schaufelt sich einen Berg davon auf den Teller, entschuldigt sich bei den anderen: "Man gönnt sich ja sonst nichts", setzt sich und verputzt sein Frühstück.

Die letzten Tomaten werden aus dem warmen Behälter gefischt, gelegentlich landet eine von ihnen auf dem Boden, sind sie doch so glitschig, wenn man es so eilig hat. Ob Schokomuffins oder Vanillecroissants, auch etwas Süßes passt noch hinein.

Bald verlassen die ersten Gäste ächzend und stöhnend den Speisesaal: "wir haben viel zu viel gegessen", jammern sie. Sie müssten jetzt spazieren und verdauen.

Auf den Tischen stapeln sich die Teller, noch voller Reste. Jeder hat zu viel aufgeladen und geschöpft. Der Kellner wagt sich langsam wieder vor, räumt ab und kippt die ungegessenen Lebensmittel in einen großen Eimer.

Vor dem Hotel dagegen sitzen die Bettler, die Kinder und die armen Leute, die sich jeden Tag sorgen müssen, ob das Essen reichen mag.

Nein. Bei dieser Schlacht am Frühstücksbuffet - da mache ich nicht mit.


  

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