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Mittwoch, 18. Mai 2016

Mandawa - eine historische fast verlassene Stadt

Heute geht die Reise weiter, wir fahren mit dem Bus nach Mandawa.

Mandawa, direkt an der berühmten Seidenstrasse gelegen, war früher eine bedeutende Handelsstadt. Zwar ist die Strecke nur 260 Kilometer lang, doch unser Bus braucht dafür ganze sechs Stunden.

Wir fahren gleich morgens los, so können wir den üblichen Morgenverkehr geniessen: Überall wird gehupt und ich komme mir fast vor, wie in Hanoi. Ob jeder denkt, wer am lautesten hupt, darf als erster fahren? Viele Leute im Bus husten und niesen, sind die jetzt alle krank? Ein kleines Mädchen muss sich übergeben - wegen dem Essen, der Hitze oder der Klimaanlage? Doch jeder wusste, was Indien in dieser Jahreszeit heisst, oder?

Als erstes braucht unser Busfahrer unbedingt Eis für die Getränkebox. Als er schon auf der Autobahn war, sah er auf der anderen Seite der Strasse einen Eisverkäufer, hielt und kaufte einen ganzen Eisblock. Ich fragte mich, wie er den grossen Eisblock in die kleine Getränkebox bekommen will, doch da hatte ich nicht mit der Findigkeit des Inders gerechnet: Dieser nahm einfach einen Schraubenzieher und benutzte ihn als Eispickel. Nach kurzer Zeit passte der grosse Eisblock, in viele kleine Stückchen zerteilt, in die Getränkebox. Im Gegensatz zu meiner Reise nach Vietnam mussten hier übrigens die Getränke auf der Reise extra bezahlt werden.

Wir fuhren an echten einheimischen Dörfern vorbei, die Strasse wurde von Bauschutt und grossen Abfallbergen gesäumt, in denen Ochsen nach Futter wühlten. Ich fand es schade, dass durch diesen Abfall die Schönheit der Natur etwas gemildert wurde. Wissen es die Leute hier nicht zu schätzen, oder gibt es keine staatlich organisierte Abfallentsorgung?

Die ganze Busfahrt schien mir wie eine Fahrt durch einen grossen Zoo: Zahlreiche Tiere kreuzten unseren Weg und oft auch die Strasse: Ochsen, Kühe, Schweine, Esel, Ziegen, Kamele und Antilopen - hier sind viel mehr Tiere unterwegs, als bei uns.

Dutzende Verkaufsstände säumen in jedem Dorf den Strassenrand. An diesen werden frisches Gemüse und Obst angeboten. Bestimmt bekommen die Früchte einen ganz besonderen Geschmack, allein vom Staub, der von jedem Fahrzeug aufgewirbelt wird, das vorbeifährt. Auf einem grossen Sandplatz dazwischen stehen zahlreiche kleine Zelte. In diesen liegt zum Teil nur eine Matratze, trotzdem wohnen Menschen in ihnen. Als Dusche dient bestimmt der Eimer mit dem braunen Wasser, der davor steht. Oder?

Viele einfache Bauernhütten stehen am Strassenrand, vor denen Kuhfladen gestapelt sind. Diese werden einfach an der heissen Luft getrocknet und dienen später als praktischer Brennstoff für den Ofen. An manchen der kleinen Hütten wird wohl noch gebaut, es fehlen Fenster, Türen und andere Dinge. Auf einer Baustelle kann ich beobachten, wie die Frauen den Schutt in ein Gefäss packen und alles auf dem Kopf tragen, während sie es wegbringen.

Während die Frauen arbeiten, sitzen die älteren Herren mitten im Dorf an einem Tisch, der am Strassenrand steht, trinken Tee, rauchen Wasserpfeife, und denken sich wohl ihren Teil, wenn sie uns Touristen hier sehen.

Überall stehen alte, ausgeschlachtete Autos herum, die wohl nur darauf warten, dass irgendwann einmal ein Eisenhändler des Weges kommt und diese mitnimmt. An einer Kreuzung stehen gleich einige total kaputte Autos, vielleicht gab es einen Unfall. Ein findiger Mensch nutzte jedenfalls die Gelegenheit, und bot daneben günstige Autos zum Verkauf an.

Inzwischen wurde mir ebenfalls etwas flau im Magen und ich war mir nicht sicher, ob es am Frühstück lag oder an der zum Teil halsbrecherischen Fahrt des Busfahrers oder daran, dass der Bus über die Bodenwellen und schlechten Strassen schlingerte und schuckelte.

Glücklicherweise gab es Mittags eine Rast. Diese war für die Gäste mit Vollpension zwar wieder in einem überteuerten Restaurant, doch ich wollte selbst über mein Essen bestimmen. Schliesslich ist Indien dafür bekannt, dass es hier eigentlich günstig ist. Doch zuerst erwarteten uns am Eingang bettelnde Kinder, die sich gegenseitig schubsten. Jedes versuchte, mich anzufassen und ich gab gut auf Handy und Portemonnaie acht.

Nach der Mittagspause fuhren wir noch zweieinhalb Stunden, bis wir im Hotel Resort Desert 'n' Dunes in Mandawa ankamen. Hier zeigte sich gnadenlos, warum die Reise so günstig angeboten wurde: Das Hotel selbst ist sehr schön, aber drumherum gibt es nur Sand, ausgetrocknete Felder und ein paar Bäume. Weiter nichts.

Wenn ich per WiFi ins Internet möchte, funktioniert das nur zwischen 20 Uhr und 8 Uhr für 300 Rupien. Tagsüber muss für jede Stunde bezahlt werden - und bei der Geschwindigkeit, die das Netz bietet, braucht man sehr viel Geduld. Nur um Mails zu checken oder kurz auf Facebook zu gucken, bräuchte ich drei Stunden.

Da ich aber meine Weiterreise online organisieren und an meinem Blog schreiben will, wird das für mich eine teure Katastrophe. Während der Reiseveranstalter in Vietnam immer gute Business-Hotels gewählt hat, die nicht nur zentral lagen, sondern auch mit gratis WiFi ausgestattet waren, erlebe ich hier in Indien bereits das zweite Hotel ohne ausreichend Zugang zum www.

Noch nicht einmal mein Reiseleiter Manoj ist hier eine Hilfe. Er meint: "Ist halt so". Schließlich - ich schrieb es bereits - kann ich hier nicht in eine nette kleine Bar gehen und dort surfen und nebenbei etwas trinken. Hier gibt es nichts - und so muss ich alles überteuert im Hotel nutzen oder eine Zwangspause einlegen.

Als der Reiseführer dann erwähnte, dass wir am nächsten Morgen bis zum Mittag kurz die kleine Stadt anschauen und anschliessend ins Hotel zurückkehren, wundere ich mich doch sehr. Warum, bitteschön, verbringen wir dann zwei Nächte in diesem Hotel? Ich könnte diesen Post ganz problemlos unter dem Titel "Wie Touristen abgezockt werden" schreiben: Wenn Du in einem Hotel am A... der Welt untergebracht wirst und nur auf die überteuerte Dienstleistung eben dieses Hotels zurückgreifen kannst, dann ist das für mich Abzocke. Schliesslich sind wir hier nicht auf einer einsamen Insel, auf der es nur dieses eine Hotel gäbe, sondern in einem Land, in dem es tausende günstiger Hotels gibt. Wie sich später herausstellte, gibt es Hotels sogar mitten im Ort.

Einen einzigen Vorteil kann ich diesem abgelegenen Hotel abgewinnen: Hier kommt sicherlich kein Dieb und klaut die Sachen, die im nicht vorhandenen Safe deponiert sind. Noch dazu gibt es ungefähr alle zwanzig Minuten einen Stromausfall, bei dem alles stockdunkel ist. Ein Einbrecher würde ohne Taschenlampe nichts sehen und würde ebenso gesehen werden.

Während wir am Abend unser Essen vom Buffet verspeisten, tanzte ein kleiner Junge mit einem Gesicht, als hätte er eigentlich gar keine Lust dazu. Außerdem gab es eine Puppenshow, die keiner von uns verstand. Zudem machte unser Reiseleiter den Vorschlag, eine gemeinsame Reisekasse zu bilden, aus der er sämtliche Trinkgelder (ausser mittags), die Gebühren für Toiletten und Fotos bezahlen könne. Dafür soll jeder von uns 20 Euro in die Kasse geben. Das fanden fast alle aus der Reisegruppe eine ausgezeichnete Idee, besonders diejenigen, die bei jeder Gelegenheit eine Toilette aufsuchen müssen. Aber wenn ich spitz nachrechne, dann ist das schon ein stolzer Betrag. Schliesslich sind Trinkgelder in den Rechnungen inklusive und nicht jeder will Fotos machen oder muss ständig aufs Klo. Ich werde ihm ein wenig auf die Finger schauen, wie viel er wann bezahlt.

Später will ich zwar noch ins Internet, aber entweder wollte die Leitung nicht oder der Strom war weg. Da gehe ich lieber schlafen. Mich ärgern Halsschmerzen, vielleicht habe ich sie mir wegen der Klimaanlagen zugezogen. Außerdem fühle ich mich nicht ganz wohl und mein Husten klingt, als würde ein alter Traktor durchs Zimmer tuckern. Mal sehen, was der nächste Tag so bringt. Ob wir in dem kleinen, überhitzten Pool eine Abkühlung finden, durch die Wüste spazieren gehen oder Däumchen drehen? Vielleicht bleibe ich auch in meinem Zimmer, das wenigstens eine Klimaanlage hat.

Wir besichtigen Mandawa, eine kleine historische Stadt.

Mandawa ist etwa sechs Kilometer von unserem Hotel entfernt. Die offiziellen Angaben können sich nicht ganz einigen, ob hier nun 10.000 oder 25.000 Menschen leben. Ich habe zwar nicht alle von ihnen gezählt, kam aber nur auf gefühlt 1.000 Einwohner, so leer, wie es hier war. Vielleicht waren die anderen ja irgendwo, an einem Ort, an dem es mehr Unterhaltung gab oder zogen mit einer Karawane durch die Wüste.

Zwei Drittel der Einwohner sind Hindus, die restlichen Moslems. Die Stadt ist für indische Verhältnisse ziemlich klein. Doch hier stehen einige sehr schöne Haveli-Häuser mit Balustraden und Innenhöfen, in denen früher reiche Handelsfamilien wohnten. Wir spazierten durch die kleinen Gassen der Stadt, und obwohl es noch früh am Morgen war, zeigte das Thermometer schon ziemlich viele Grad. Doch diese Hitze hielt uns nicht davon ab, die Schönheit der Gebäude zu bewundern, die während der Blütezeit von Mandawa hier errichtet wurden. Viele von ihnen wurden aufwändig mit Steinfarben prachtvoll bemalt und die damaligen Kaufleute liessen ihre Häuser mit schönem Steinschmuck verzieren.

Hier zogen vom 18. bis ins 20. Jahrhundert hinein Kamelkarawanen durch die Stadt, schwer beladen mit Stoffen und Gewürzen. Viele Waren wurden bis nach Europa hinein gehandelt. Die Kaufleute verdienten am Handel, so dass sie ihre Häuser innen und aussen aufwändig mit Fresken und Malereien verzieren lassen konnten. Jedes einzelne von ihnen erzählt seine ganz eigene Geschichte aus längst vergangenen Zeiten.

Da die Besitzer der Häuser nur selten hier wohnen, stehen die meisten dieser Häuser leer. Während die Eigentümer in Delhi oder anderswo in der Grossstadt leben und arbeiten, kommen sie nur selten hierher. Sie haben das Haus ihrer Eltern geerbt, können und wollen hier aber nicht leben. Trotzdem behalten sie die schönen Häuser, vielleicht ändern sich die Zeiten einmal wieder.

Puh. Ich kann euch sagen: Dieser Spaziergang durch Mandawa erinnert mich mit seiner unerbittlichen Hitze an den Spaziergang durch Angkor Wat. In den kleinen Gassen schien sich die Hitze förmlich zu stauen und waberte manchmal wie in einem glutheissen Backofen. Ich wusste gar nicht, dass so viel Wasser in mich hineinpasst, wie ich hier getrunken habe.

Außer uns gab es fast keine Touristen hier. Die fliegenden Händler begleiteten und bei unserem Gang durch die Gassen, versorgten uns mit dem lebensnotwendigen Wasser und boten uns immer wieder schönen Schmuck an. Je weiter wir kamen, umso billiger wurde alles, schliesslich wollen die Leute hier von irgendetwas leben. Ich bedauerte ein wenig, dass ich auf meiner Reise nichts mitnehmen kann, auch die anderen Mitreisenden waren offenbar nicht in Kauflaune.

Was ich total spannend fand, war, dass jeder, mit dem ich hier ins Gespräch kam, komischerweise von einem Bruder oder Neffen in Berlin oder Bern erzählte. Ob das so immer der Wahrheit entspricht? Trotzdem sind es einfach nette Jungs, die ihr Geld verdienen wollen. Es gab auch Mädchen, die dir einen Glückspunkt auf die Stirn malen oder sich fotografieren lassen wollen und so ein wenig Geld verdienen wollen. Trotzdem fand ich den Eifer der Jungs, die uns in dieser Hitze die ganze Zeit begleitet haben, wesentlich geschäftstüchtiger.

Der Ort selbst ist wirklich sehr schön. Irgendwie blieb hier die Zeit zwischen 1970 und 1980 stehen. In einem Schuhladen stellt beispielsweise ein Mann die Schuhe noch richtig selber her: Du sagst einfach den zwei Jungs, vielleicht sind es ja seine Söhne, welches Modell dir gefällt. Er misst deinen Fuss aus und macht sich an die Arbeit. Du kannst zusehen, wie dein ganz persönliches Paar Schuhe entsteht, eines, das es garantiert kein zweites Mal auf dieser Welt gibt. Leider ist mein Koffer schon so überfüllt, dass ich davon Abstand nehme.

Auch der Schneider schneidert dir das typische indische Kleid direkt passend auf den Leib. Aus den farbigen Stoffen entstehen ebenso farbenprächtige Tunikas, Saris oder Kurtis. Jeder sieht in einem solchen Gewand einfach super aus und ist gut gekleidet, völlig egal ob Mann, Frau, Mädchen oder Junge.

Ich würde gerne wieder in den Bus steigen und die Kühle der Klimaanlage geniessen, schliesslich komme ich mir langsam wie ein gegrilltes Hähnchen am Grillspiess vor. Da der Bus nicht zu sehen ist, gehe ich schnell in den kleinen nächsten Laden. Gerade einmal zwei Meter im Quadrat gross, bietet er eine ganze Menge an, unter anderem eine Flasche Wasser für 40 Rupien, das sind umgerechnet 0,50 Euro.

Beim Obst- und Gemüsehändler frage ich nach, was er für ein paar Bananen haben will: Ein ganzer Zweig, an dem acht Bananen sind, würde 20 Rupien kosten. Das wären 0,25 Euro oder 0,30 Franken. Ich glaube, dann esse ich heute leckere Früchte zu Mittag, statt wieder eine überteuerte Suppe aus Leitungswasser mit ein paar Bröckchen serviert zu bekommen. Den Marktleuten gebe ich mein Geld gerne und ich schaue auch nicht ganz so sehr auf den Preis. Hier kann ich sehen, wer mein Geld bekommt. Selbst der Getränkeverkäufer an der Ecke bedankt sich mit einem Lächeln einfach dafür, dass du das Wasser bei ihm gekauft hast. Allerdings gibt es auch keine anderen Möglichkeiten, schliesslich ist hier weder ein Migros noch ein Aldi zu finden.

Bald geht es zurück ins Hotel. Den Nachmittag haben wir zu unserer freien Verfügung. Mir ist noch nicht ganz klar, was ich alles in dieser freien Zeit so anstellen kann. Im kleinen Hotelpool ist es kuschelig warm, dort liegen allerdings schon einige Touristen, die ohne vorherige Dusche ins stehende Wasser gestiefelt sind. Drumherum warten ganze drei Sonnenliegen auf Sonnenhungrige. Aber bei der Hitze gäbe es ja einen Sonnenstich. Es gibt weder Hotelbar, noch Schönheitssalon. Da ich keine Lust auf die Wüste ausserhalb des Hotels habe, schreibe ich lieber meinen Blogeintrag.

Abends gab es noch einen grandiosen Programmpunkt: Eine Fahrt in den Sonnenuntergang mit Apero. Nach einer zweiminütigen Fahrt mit dem Bus liefen wir noch zehn Minuten zu Fuss auf einen kleinen Sandhügel. Oben angekommen, servierte unser Reiseleiter jedem Gast eine Rum-Cola. Das Zubehör dazu hatte der arme Hilfs-Chauffeur hoch auf den Hügel geschafft. Mit dem Glas in der Hand lasse ich meinen Blick in die Ferne schweifen, über Sandhügel, Dünen und verdorrte Landschaft hinweg. Alles ist ausgetrocknet und vertrocknet. Sobald aber die Regenzeit beginnt, blüht es überall. Auf den Feldern wachsen Erbsen, Erdnüsse, Kichererbsen und noch mehr, bis direkt nach der Ernte die nächste Trockenzeit beginnt.

So bleibt nur die Wahl zwischen Trockenzeit, in der nur wenige Touristen hier unterwegs sind, da es sehr heiss ist - oder der Regenzeit. Da ist zwar alles grün, aber du brauchst ständig einen Regenschirm.

Da es morgen früh weitergeht, kehren wir nach dem Sonnenuntergang ins Hotel zurück, geniessen das leckere Essen am Buffet und feiern noch ein bisschen Abschied.



  
                                                                              
      

Gebucht über: sonnenklar.TV
Reiseveranstalter und Bezahlung: e-kolumbus Reisen / e-domizil GmbH
Tourveranstalter: Mediplus Reisen
Hotel: Mandawa Desert n Dunes***
Fluggesellschaft: Lufthansa

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